© Michael Essl

Hochalmspitze

Klettersteig

02.10.2022

Die glorreichen Sieben unterwegs auf dem Weg zur Tauernkönigin

 

Frühmorgens, sehr früh morgens, also wenn sämtliche Hähne des Landkreises Günzburg sich noch im Tiefschlaf auf ihren Stangen halten, geht auf dem Pendlerparkplatz in Deffingen schlagartig die Sonne auf – nämlich als sich die Heckklappe des mobilen „Hühnerstalls auf Rädern“ nach oben öffnet und im Kofferraum des Günzburger DAV-Busses das Tetris-Spiel mit Rucksäcken, Schuhen und Co. eröffnet wird. Keine 10 Minuten später lenkt Philipp unser Gefährt schon Richtung Münchner Autobahn mit Zielanpeilung in eines der wunderschönsten Bundesländer Österreichs: Nach Kärnten ins Reich der Karawanken und Tauern! Oberste Priorität ist dabei das Augenmerk auf einen erfolgreichen Gipfelsturm der Tauernkönigin. Die Hochalmspitze mit ihren 3360 m soll also unser auserkorenes Gipfelglück an diesem Wochenende krönen. Allerdings dachten wir schon, dass dieses „wir fahren mitten in der Nacht los -warum eigentlich bloß“ auch einen Hintergrundgedanken unseres wertgeschätzten Tourenführers haben musste. Und zwar, um nach einer „kleinen“ Via-Ferrata-Aufwärmphase zum gemütlichen Hüttenzustieg überzugehen. So sollte der, in Literatur als extremer Klettersteig-Klassiker Österreichs beschriebene, Eisenweg „Fallbachsteig“ im Martatal unser erstes Ziel des Tages sein. Und tatsächlich muss man an diesem Weg, der neben Österreichs höchstem Wasserfall eine 200 m hohe Linie auf den Gipfel der Loibspitze mit 2229 m zieht, ordentlich zupacken. Denn nicht umsonst steht auf dem Eingangsschild da etwas von Kategorie E. Während die Hände in Affenmanier das Stahlseil fixieren und der Bizeps ungeahnte Ausmaße formt, eröffnen sich uns traumhafte Tiefblicke, die an Ausgesetztheit wahrhaftig nicht zu überbieten sind.

 

Wohlgleich wir danach zügig weiter zum Hüttenparkplatz fahren wollen, kehren dennoch einige wieder zum Tetris-Spiel zurück, wobei hier ein Tipp an alle Tourenführer der Welt gerichtet sein soll: Lasse niemals – niemals - Frauen ihren Rucksack unterwegs komplett im Auto auspacken und verlange nicht, dass danach alles wieder gefunden wird und sachgerecht dort wieder seinen Platz findet, ohne den Deckel zu sprengen!

Weiter ging es mit dem Bus und letztendlich machten wir uns keine Stunde später gestiefelt und gespornt auf den Weg zur Gießener Hütte. Kurz ein Blick aufs Handy. Checkup „Wetter für Morgen“, ungeahnt dessen, dass dies der letzte mobile Kontakt zur Außenwelt für die nächsten drei Tage gewesen ist, erreichen wir zwei Stunden später unsere Unterkunft. Ein fragender Blick von uns mit Handy in der Hand und es schalt in unsere Ohren „is des ned schee, koan Empfang hier herob“. Naja, das Wetter wird uns schon das bescheren, was es uns an der letzten Weggabelung für Morgen versprochen hatte: Sonne und Wolken und Schauer erst ab spätem Nachmittag!

 

Nach angenehmer Nacht und tollem Hüttenflair mit Ottmar dem Hüttenboss ging es zu früher Morgenstund´ an den Aufstieg. Und die auch aus den Federn gekrochene Sonne ließ sich nicht lumpen und zeigte uns ihr schönstes kitschiges Rosamunde-Pilcher-Panorama. Unter uns ein Kessel aus Wolkenmeer, vor uns die erst zaghaft rosa beleuchteten Felszacken, die allmählich in blutrotes Leuchten eingefärbt werden. Wir erleben einen wunderbaren Zustieg und gelangen nach einem anständigen Marsch über Schroffengelände an den Beginn des „Detmolder Grats“, auf dessen Kamm sich bis zum Gipfel ein Klettersteig befindet. Zügig steigen wir empor, wobei die Wolken uns dicht auf den Fersen sind. Ab und an macht die Wolkendecke hier und da ein Fenster auf und lässt uns durch den mystischen weißen Schleier die atemberaubende Tiefsicht genießen. Es ist bereits nach Mittag als wir, die glorreichen Sieben, unseren Gipfelwimpel am höchsten Punkt der Hochalmspitze in 3360 m in die Höhe halten. Wir lassen uns unsere gute Laune durch die etwas beschränkte Fernsicht aber nicht nehmen und verweilen auf dem Gipfel ausgiebig. Runter geht genauso wie wir raufgekraxelt sind und alles hätte so perfekt sein können….

Déjà-vu! …“da war doch was mit Schauer, nachmittags“…..“Jo, da war doch was mit Wetterfrosch“…….“Ahhhhh, ist ja nur Graupel und wir sind ja schon an der vorletzten Stangen und Seilkreuzung, also quasi fast daheim“. Das Wort „fast“ sollte im weiteren Verlauf ein Sehnsuchtswort werden…..irgendwie wird es dann ganz schnell ganz feucht und dieser digitale Button „14 l/m² Niederschlag“ von Meteoblue am Vortag, schüttet sich wie aus Eimern ganz real auf uns nieder. Im Nullkommanichts werden sämtliche textile Öffnungen geflutet! Man versucht zwar noch hier und da Schadensbegrenzung durch den Einsatz von hochfunktionalem Hardshell zu betreiben, aber drei Stunden Abstieg in Regenflut lässt dann doch jede noch so hohe Wassersäule von Multifunktionsfolien in Depression verfallen. Die allseits geschätzten grünen Flechten, welche unsere Vibramsohle sonst in jeglicher 35-Grad-Steigung in der Waagrechten halten – ja, die brachten dann so manche Sohle an den Rand ihrer Kapazität. In Schmierseifenmanier rutschte dann der ein oder andere in Spagathaltung der Hütte entgegen.  

 

Unversehrt gesellten wir uns zu einem lustigen und ausgiebigen Abschlussabend in der Stube zusammen, ließen es uns gutgehen und hofften irgendwie insgeheim auf eine Art so internen Föhnsturm, der durch die Hütte blasen und alles Tropfnasse irgendwie wieder in den Ursprungszustand bringen könnte. Denn nicht nur uns hatte der Himmel heftig erwischt! An der hohen Frequenz an reinen Unterwäscheträgern auch an den Nachbartischen war die aktuell herrschende Schlechtwetterlage nicht von der Hand zu weisen.

Somit hatten wir doch eigentlich noch Glück gehabt. Und Sonne trocknet bekanntlich ja auch jedes noch so große Nass. Ein superdickes Dankeschön geht an unserer Tourguide Philipp, für die gelungene Organisation, seine Gelassenheit sowie die Souveränität und die Stärke Mädels beim Ein- und Auspacken von Rucksäcken gekonnt anzuspornen und zu kommentieren.

Ein großartiges Team hat an diesem Wochenende mal wieder das gezeigt, was Berge möglich machen. Aus sieben einzelnen Bergmenschlein ein gemeinsames Team zu formen, was Höhen und Tiefen gemeinsam meistert – die glorreichen Sieben!

 

Mit dabei waren Philipp, Barbara, Julia, Henry, Andreas, Michael & Verena

Text: Verena Glock

Fotos: Michael Essl, Verena Glock und Andreas Fäustle